Kalkulationsgrundlagen für Freelancer – Teil 1
Solo-Selbstständige müssen nicht nur ihre Beiträge zur Krankenversicherung komplett selbst finanzieren, sondern auch die Zuzahlung zur Altersvorsorge entfällt. Knapp 4% der Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten in dieser Form, häufig im Bereich der Wissensarbeit.
Solo-Selbstständige tragen wesentlich zum Wachstum unserer Volkswirtschaft bei. „Da die Wissensarbeiter eine wichtige Rolle im Innovationsprozess einnehmen, verschenkt Deutschland Wachstumspotenzial. Ein Aufschließen Deutschlands etwa zu Südkorea ginge mit einem Wachstumsimpuls von 0,96 Prozentpunkten einher – langfristig summiert sich das auf 243 Mrd. Euro“, sagt Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien.
Wissensarbeit ist wichtig für Deutschland
Tatsache ist: Neue Selbstständige bereichern das Land. Doch gerade vielen neuen Selbstständigen fällt die betriebswirtschaftliche Planung schwer. Was ändert sich mit dem Schritt in die Selbstständigkeit? Welche Fallstricke lauern? Wie sollten Freiberufler vorgehen, um ihr (Wunsch-)Einkommen und damit ihren Stunden- oder Tagessatz zu kalkulieren?
Zunächst einmal ändert sich das Leben der ehemals abhängig Beschäftigten mit dem Schritt in die Selbständigkeit grundlegend. Das muss man so deutlich sagen. Die (vermeintlich) sichere monatliche Überweisung fällt weg, der Urlaub muss anders geplant werden, die Altersvorsorge muss neu organisiert werden und auch für die Weiterbildung muss ein erheblicher Betrag erwirtschaftet werden. Darüber hinaus wird die Kreditvergabe durch die Banken erheblich erschwert, bereits zugesagte Kredite für das Eigenheim werden zurückgezogen oder verteuert. Gerade der letzte Punkt ist den Betroffenen oft nicht so bewusst. Mir sind Fälle bekannt, in denen der Selbständige seit Jahren erfolgreich am Markt tätig ist und regelmäßig hohe Einnahmen erzielt. Die Ehefrau ist für die Administration ebenfalls fest angestellt und ihre einzige Einnahmequelle ist das Angestelltenverhältnis beim Selbständigen. Trotzdem wurden Kredite bei Kreditinstituten nur der Ehefrau, nicht aber dem selbständigen Ehemann angeboten. Obwohl der Wegfall des Einkommens des Ehemannes zuerst das Angestelltenverhältnis der Ehefrau beendet hätte, wurde der Kredit nur der Ehefrau angeboten. Schwer nachvollziehbare Regelungen …
Realität und Fakten sind des bessere Ratgeber als Träume
90 Euro die Stunde mal 48 Stunden die Woche (10 von Montag bis Donnerstag und 8 am Freitag), so viel wie man heute schon arbeitet, 4 Wochen Urlaub im Jahr reichen auch, die Feiertage sind nicht so zahlreich und lassen wir das, krank war ich auch schon lange nicht mehr … also 48 Wochen mal 48 Stunden mal 90 Euro sind deutlich über 200.000 Euro. Das wäre super! Vor allem, wenn ich als Festangestellter 70.000 Euro im Jahr bekomme, und ja gut, der Dienstwagen ist selbstverständlich und wird nicht eingerechnet. Da verdiene ich als Selbstständiger das Dreifache… Leider ist das nicht so einfach. Aufwand, Zeit und Kosten für Weiterbildung, Administration, Kundenakquise etc. werden oft deutlich unterschätzt! Bitte realistisch bleiben!
Eine Möglichkeit besteht darin, mit einer Marktanalyse zu beginnen. Also den Markt analysieren in der Art zu analysieren, welche Stundensätze in etwa für die Kompetenz auf dem Qualifikationsniveau bezahlt werden. Weiter, welche Auslastung, also wie viele monetär abrechenbare Stunden, realistisch sind. Dies kann von Skill zu Skill sehr unterschiedlich sein. Ein Strategieberater mit Promotion auf CEO-Niveau, wohnhaft in Dresden, wird viel Zeit für Akquise und Kontaktpflege benötigen. Einzelne Einsätze sind deutlich kürzer als in anderen Skills, ein Einsatz von mehreren Monaten, geschweige denn Jahren, wird eher die Ausnahme sein. Hinzu kommen hohe Reisekosten und Reisezeiten.
Nehmen wir dagegen den Freiberufler, der sein Informatikstudium abgebrochen hat, jetzt als hardwarenaher Programmierer arbeitet und in der Nähe von Stuttgart wohnt. Im Großraum Stuttgart gibt es viele potentielle Kunden. Insofern sind Reisezeit und -kosten gering. Der hardwarenahe Programmierer kann zu Hause übernachten. Aufträge in diesem Segment laufen oft über Jahre, oft verbunden mit einer hohen Auslastung. Selbst wenn der Strategieberater z.B. den dreifachen Stundensatz des hardwarenahen Programmierers abrechnen kann, ist keineswegs sicher, dass am Ende des Jahres mehr „in der Tasche bleibt“. Also: Stunden- oder Tagessätze, Auslastung und Reisekosten möglichst realistisch kalkulieren!
Doch wie gehe ich hier vor? Hierfür zeige ich Ihnen im zweiten Teil des Artikels eine Vorgehensweise auf.
Matthias Ruff, aus dem Fachbuch „