EU-Plattformrichtlinien – bitte weniger Bürokratie und mehr Freiheit

Die Richtlinien der Europäischen Kommission zur Plattformarbeit werden in letzter Zeit häufiger diskutiert. Inhaltlich soll unter anderem Selbständigen die Grundlage der Selbständigkeit entzogen werden, wenn diese zeitgemäß mir ihren Auftraggebern über Plattformen zusammenarbeiten wollen. In diesem Zusammenhang wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Plattform faktisch ein Arbeitgeber ist. Plattformbetreiber sollen künftig nachweisen müssen, dass der Selbständige nach dem jeweiligen nationalen Recht Selbständiger ist. Es wird also vorerst vermutet, dass der Selbstständige Arbeitnehmer ist – bis er das Gegenteil, also seine Selbstständigkeit, nachweisen kann. Es gibt jedoch keine eindeutigen Kriterien für den Nachweis der Selbständigkeit.

Für rund 2/3 der „Plattformarbeiter“ ist Crowdworking ein Nebenverdienst neben der eigentlichen Haupttätigkeit. Die Umsetzung der geplanten Richtlinie würde somit für zwei von drei Nutzern einen Zuverdienst erschweren.

Wissensarbeit ist wichtig für Deutschland!

Plattformarbeit ist eine Form der Organisation von Erwerbsarbeit über digitale Plattformen. Plattformarbeiter sind online erreichbar und bieten ein breites Spektrum an Dienstleistungen an. Viele Selbstständige, welche ihr Know-how unter anderem über Plattformen anbieten, sind Wissensarbeiter und für den Standort Deutschland von entscheidender Bedeutung. Diese Plattformen werden auch von selbstständigen Wissensarbeitern genutzt:

– 43 % nutzen Freelancer-Plattformen.

– 28% erhalten Beauftragungen über soziale Medien.

Die Zahl der Solo-Selbstständigen in Deutschland hat in den letzten drei Jahrzehnten tendenziell zugenommen. Rund 4% der Erwerbstätigen in Deutschland sind selbstständige Wissensarbeiter. Die zuletzt zur Abstimmung vorgelegte Plattformrichtlinie enthält keine Bereichsausnahmen z.B. für Wissensarbeiter oder Selbstständige mit hohem Einkommen. Menschen mit Migrationshintergrund und akademisch Qualifizierte wählen häufig die Selbständigkeit als bevorzugte Erwerbsform. Laut einer Umfrage des israelischen Unternehmens Fiverr halten 70 % der Generation Z die Freiberuflichkeit für eine interessante Karriereoption. Es gibt viele Gründe, die für einen Wandel hin zu mehr Solo-Selbständigkeit in den nächsten Jahrzehnten sprechen. Dazu gehören:

–  eine höhere Akademikerquote,

– viele Wissensarbeiter gehen in den Ruhestand, wollen aber Teil der Arbeitsgesellschaft bleiben,

– Know-how-Defizite bei den Nachfragern oder schlicht, dass in vielen Gruppen die

– Angst vor Arbeitslosigkeit kaum noch vorhanden ist.

Laut ifo-Institut ließe sich allein durch eine bessere Nutzung der Solo-Selbstständigen Wissensarbeit ein volkswirtschaftliches Wachstumspotenzial von über 200 Milliarden Euro realisieren. 88 Prozent der Solo-Selbstständigen Wissensarbeiter sehen Anpassungsbedarf bei der bestehenden Gesetzgebung. Auch die Auftraggeber sind branchenübergreifend mit der aktuellen Rechtslage und den bestehenden Regelungen unzufrieden. Sie kritisieren insbesondere den hohen Prüf- und Verwaltungsaufwand, die Einschränkung agiler Projekte und die Verzögerung bzw. Verhinderung von Innovationsprojekten (Quelle: Institut für Management und Innovation (IMI) der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen).

Bitte weniger Bürokratie!

Um die Potenziale zu heben, braucht Deutschland weniger und nicht mehr Bürokratie. Die EU-Plattformrichtlinie würde jedoch zu deutlich mehr Bürokratie führen und z.B. auch hochqualifizierten Rentnern eine Form der Erwerbstätigkeit erschweren.

Die Bundesregierung hat sich zum Abbau von Bürokratie in Deutschland bekannt und Eckpunkte zum Bürokratieabbau beschlossen. Die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung bei der Abstimmung zu den Richtlinien der Europäischen Kommission zur Plattformarbeit ist ein Signal für den Bürokratieabbau. So gesehen war die Enthaltung die logische Konsequenz.

Mehr Rechtssicherheit!

Was brauchen viele Freelancer in Deutschland wirklich? Rechtssicherheit! Ein Ansatz könnten Positivkriterien sein, welche einem Selbstständigen bestätigen, dass Selbstständigkeit vorliegt – und zwar grundsätzlich und nicht für einzelne Projekte, deren Umstände sich auch während eines Projektes ändern können. Weg vom temporären Einzelfall hin zu einer grundsätzlichen, dauerhaften und branchenunabhängigen Bestätigung der Selbständigkeit, die den Anforderungen moderner Arbeitsformen Rechnung trägt. Die zuletzt zur Abstimmung vorgelegten Plattformrichtlinien enthielten keine Kriterien für Selbständigkeit.

Der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung bereits Positivkriterien für (Schein-)Selbständigkeit veröffentlicht. Folgende Positivkriterien würden laut EuGH für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Selbständige sollten über folgende Rechte verfügen:

-Aufgaben an Dritte delegieren

-Ablehnung von Aufträgen

-Annahme von Nebentätigkeiten

-Annahme von Aufträgen auch von direkten Konkurrenten des Auftraggebers

-Freie Einteilung der Arbeitszeit in einem bestimmten Rahmen

Deutschland braucht mehr Unternehmertum und Wissensarbeit denn je. Schaffen wir die Voraussetzungen!

Beste Grüße

Matthias Ruff
Geschäftsführender Partner der OURLANCE, HR-Experte und Autor

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